033 – Angstfrei durch die Krise | Gastronom Martin Spätling von mm! leckerbar
Mit welchen Maßnahmen und welcher Einstellung der Unternehmer Martin Spätling der Corona-Pandemie begegnet

Martin Spätling hat zwei mm! leckerbar Standorte in Freiburg, ein Gastronomieunternehmen mit gesundem Fastfood. Natürlich treffen ihn die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hart. Doch er geht ziemlich gelassen durch diese Zeit ("was soll uns hier in Deutschland schon passieren?" und hat innerhalb kürzester Zeit Maßnahmen getroffen, um das Beste aus der Situation zu machen. Verpacken eines reduzierten Sortiments in Einmachgläsern, mobiler Verkauf aus einem Transportbus heraus und eine Spendenaktion für die Freiburger Uniklinik, sind die drei wichtigsten Beispiele. Angst hat er trotz Schließung keine Sekunde lang gespürt. Ohne Breakdown geht man den eingeschlagenen Weg einfach so weiter. Nun kann man alles was man tut einmal kritisch hinterfragen. "Ist das noch das, was wir wollen?" fragt er sich.

Angstfrei

„Die Krise“ ist für Martin gar nicht so „die Krise“. Es ist eine Zeit, die jetzt so gekommen ist und für irgendwas ist sie gut. So geht er gelassen hinein:

„In Deutschland leben wir auf sehr sehr hohem Niveau und was kann uns schon passieren? Wir haben hier immer etwas zu essen, wir werden immer eine Wohnung haben und wenn man dann noch gesund ist, ist 95% echt okay!“

Martin möchte nicht mit Angst durch das Leben gehen. Er konzentriert sich auf die möglichen Maßnahmen. So hat er beide Läden geschlossen. Einen der beiden Läden, der sich in einer besseren Lage befindet, öffnet er zur Bedienung durch die Tür zwischen 12 und 15 Uhr. So bedient er insbesondere seine mm! leckerbar Stammkunden, die mit einer Art von Prepaid-Karten vorbei kommen und ihr gesundes Essen abholen.

(Audio 21:43 Min)

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Reaktivierung eines Verkaufsbus

2018 startete Martin einen Versuch, sein Essen über einen mm! leckerbar Bus mobil zu verkaufen. Darin verkaufte er Suppen und andere heiße Sachen in einer Art von Marmeladengläsern. Die sind bedruckt und bei Bedarf sogar mehrere Wochen im Kühlschrank haltbar. Mangels Fokus bzw. Kapazitäten hatte er dieses Projekt damals versanden lassen. Nun in der Krise war er in der Lage, diesen Bus innerhalb kürzester Zeit zu reaktivieren. Damit stellt er sich für zwei bis drei Stunden auf Parkplätze vor Lebensmittel-Läden oder Bäckereien. Der Verkauf seiner Gläschen läuft hier besser als über das eigentliche Geschäft! Denn hier gehen die Leute ohnehin einkaufen.

Sein großer Vorteil in der Krise war nun, es war alles schon von dem ersten Versuch in 2018 vorhanden. Es musste nichts neu besorgt oder organisiert werden, sondern er konnte auf Vorhandenes zurückgreifen, um ein mobiles Geschäftskonzept aus dem Boden zu stampfen.

Verkauf von Speisen in Einmachgläsern an der Tür

Auch im Laden verkauft er nun ein reduziertes Sortiment von Chili und Suppen in Einmachgläsern. Dies vereinfacht das Handling und erhöht die Geschwindigkeit beim Abverkauf durch die Tür. Der Aufwand und Personaleinsatz wäre beim vollen Sortiment zu groß. Zudem sind die Gläser haltbar und können im Kühlschrank gelagert werden. Martin hatte hier Tendenzen zum Horten erwartet, sich aber geirrt. Der Laden verkauft die Gläser weiterhin in Einzelmengen an Laufkundschaft und Stammkunden und nicht in großen Mengen auf Reserve.

Spenden an die Uniklinik Freiburg

Mit jedem verkauften Glas gehen in Zeiten von Corona 50 Cents als Spende an die Uniklinik Freiburg, weil „die Jungs und Mädels dort reißen sich gerade den Hintern auf!“. So hat er den Abverkauf seines gesunden Fastfoods mit einem guten Zweck verbunden. So haben sie sich einfach gut gefühlt. Sie bedienen ihre Kunden, kommen selber noch einigermaßen über die Runden und verbinden es mit einer Spendenaktion.

Angstfreiheit ist die Rettung, aber keine bewusste Entscheidung

„Keine Angst zu haben“ war bei ihm und seiner Frau sofort aktiv. 1997 waren sie schon einmal in einer Krise und gingen in die private Insolvenz. Diese Erfahrung entspannt sie heute. Auch damals haben sie die Situation ohne Angst überstanden. Im Nachgang betrachtet war die Angstfreiheit damals genau ihre Rettung, weil sie mit einem kühlen Kopf handeln konnten. „Jetzt ist eine neue Situation – wie können wir damit umgehen?“

„Entweder hast Du Angst oder hast keine. Du kannst nicht sagen ‚Ey, ich will jetzt aber keine Angst haben!‘, so funktioniert das ja nicht. Ich hatte zum Glück keine Angst und dadurch sind einfach viele Sachen passiert. Das Gegenteil von dem ist ja, dass Du völlig angstbesessen und verkrampft in dir bist und dann hast du keinen Millimeter Potenzial zu gucken ‚was kann ich denn eigentlich machen‘.“

Was uns die Krise zeigt

Gleichzeitig ist es aus Martins Sicht gerade spannend zu beobachten, was eigentlich passiert. Gesellschaftlich, wirtschaftlich usw. Wir waren auf einem verrückten Weg und irgendwie war es aus seiner Sicht klar, dass es nicht immer einfach so weitergehen kann. Die Krise ist ein Zeichen nach dem Motte „Hey, schaut mal, so könnt ihr nicht weitermachen.“

Für Martin Spätling ist das nun die Chance, einfach alles mal zu hinterfragen. Er ist mit seiner Frau quasi einfach so reingerutscht. Und nun können sie die Gelegenheit nutzen und kritisch alles unter die Lupe nehmen. Sind sie noch auf dem Weg, auf dem sie sein wollen? Es gibt viele Möglichkeiten. Die Krise ist die Chance, wieder frei zu denken.

Auch wenn der mobile Verkauf vor Supermärkten und Bäckereien nicht sämtliche Fixkosten abdeckt, hat die Reaktivierung des Busses überraschend gut funktioniert, um die Situation etwas abzufedern. So hat Martin heute schon entschieden, die Bus-Aktion wird mm! leckerbar auch nach der Krise weiterverfolgen. Das ist eine super Sache.

In der nächste Episode spreche ich mit Martin über seine Insolvenzerfahrungen und wie ihm diese heute in der Corona-Krise helfen.

Shownotes

Martin Spätling bei LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/martin-sp%C3%A4tling-59b95417b/